Verkehrswende in Herten ist anders als sonst wo

Stellungnahme und Kommentar zur gestrigen Ratssitzung.

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Stellungnahme des ADFC Herten © Patrick Berner

In der gestrigen Ratssitzung stand unter TOP 17 die Beschlussvorlage „Umnutzung von PKW-Parkplätzen in Radstellplätze“ auf der Tagesordnung. Der Vorlage war ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vorausgegangen. Ziel sollte es sein, an verschiedenen Stellen im Stadtgebiet PKW Stellplätze in Fahrradstellplätze umzufunktionieren. Dabei sollten auch sogenannte CarBikePorts zum Einsatz kommen. Dies sind Radabstellanlagen, welche die Silhouette eines PKW widerspiegeln, wie sie schon heute in anderen Städten (z.B. Recklinghausen) zu finden sind. Pro umgewandelten Stellplatz sollten bis zu 10 Radabstellanlagen entstehen. Dabei geht es zum einen darum, dem zunehmenden Radverkehr gerecht zu werden und ein Zeichen für die Verkehrswende zu setzen.

Ein entsprechendes Maßnahmenblatt hierzu war bereits für das im nächsten Jahr zu beschließende Radverkehrskonzept erarbeitet worden. Allerdings bot sich dieses Jahr bereits die Umsetzung an, da es für die Stadt die Möglichkeit gab, Fördergelder zu erhalten.

Vorwiegend durch die Stimmen der Fraktionen CDU und TOP wurde die Vorlage abgelehnt. Die Begründungen für die Ablehnung waren dabei teilweise genauso wild wie die Radverkehrsführung in Baustellen im Stadtgebiet.

In der CDU-Fraktion ist man der Meinung, die Verkehrswende gelingt auch ohne, dass man den PKW etwas wegnimmt. Interessante Feststellung, welche sich so gar nicht mit der Einschätzung von Expert*innen zum Thema Verkehrswende deckt. Die Verkehrsfläche ist auch in Herten begrenzt. Die Flächen für den Radverkehr sind häufig zu gering und müssen mit dem Fußverkehr geteilt werden. Entsprechend frage ich mich und auch meine Kolleg*innen, woher man die notwendige Fläche zaubern will? Und wenn der Fraktion doch so viele Ideen zur Radverkehrsförderung bekannt sind, sind wir verwundert, dass von dort bisher keine entsprechenden Anträge gestellt wurden.

Auch ein mangelndes Verständnis zum Thema Verkehrswende war klar erkennbar. Verkehrswende ist mehr, als nur die Förderung von Radverkehr. Es geht dabei auch darum, den Menschen die Städte wieder zurückzugeben. Lebenswerte Räume mit Aufenthaltsqualität zu schaffen.

Unsere Städte sind nach dem Zweiten Weltkrieg autogerecht geplant worden. Das Auto war Zeichen des industriellen Aufschwungs. Orte mit Aufenthaltsqualität oder ein zukunftsorientierter ÖPNV waren nicht im Fokus und man war sich der Folgen schlicht nicht bewusst. Heute wissen wir, dass der motorisierte Individualverkehr der Gesellschaft einen erheblichen Schaden zufügt. Wohingegen der Fuß- und Radverkehr für ein bilanzielles Plus sorgt.

Ein weiterer eingebrachter Vorstoß war die Schaffung eines Leihangebotes für Fahrräder oder sogenannte E-Scooter. Überraschend wird man bei der Schaffung eines Angebotes für Leihräder feststellen, dass auch diese Abstellanlagen an mehreren Stellen im Stadtgebiet benötigt werden. Eine Ausleihstation an einer Stelle im Stadtgebiet macht schlicht keinen Sinn.  Das Thema E-Scooter ist in den meisten Kommunen, wo diese eingeführt wurden, zu einem Problem geworden. Immer wieder findet man solche Fahrzeuge abgestellt auf Geh- und Radwegen. Was einige Kommunen zum Anlass genommen haben, Parkflächen für diese Leihgeräte auszuweisen. Womit wir wieder bei einer Stellplatzdiskussion sind. Ganz nebenbei zeigen erste Erhebungen, dass Leih-E-Scooter keinen Beitrag zur Verkehrswende und auch zum Klimaschutz leisten, da diese häufig als Alternative für Strecken verwendet werden, die sonst zu Fuß zurückgelegt werden. Die Klimabilanz ist somit negativ.

Die Ablehnung führt auch bei uns zu einer Wahrnehmung mangelnder Wertschätzung der Arbeit unserer ehrenamtlichen aktiven Mitglieder. Durch Beteiligung bei der Entwicklung des Radverkehrskonzeptes und somit auch der Mitwirkung an der Identifizierung der Standorte ist die Ablehnung für uns ein Schlag ins Gesicht.

Abschließend kann man festhalten, dass die Entscheidung dazu führt, dass Radfahrende auf lange Sicht keine oder nur unzureichende Abstellanlagen im Stadtgebiet vorfinden, denn die Errichtung aus eigenen Mitteln wird die Stadt vermutlich bei der künftigen Haushaltslage nicht mehr stemmen können. Auch wenn es eine solche Entscheidung im Rahmen des Radverkehrskonzeptes geben wird. Herten verpasst durch solche Fehlentscheidungen Fördermöglichkeiten, die dem Radverkehr zu Gute kämen. Andere Städte des Kreises und auch benachbarte Städte haben die Notwendigkeit von Radverkehrsförderung erkannt und dort ist man auch auf der politischen Ebene in der Lage, die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Während in Herten der ein oder andere im Rat seinen persönlichen Kampf gegen die Stadtverwaltung führt und das zu Lasten der Bürger*innen.

Ein Radverkehrskonzept, welches unter solchen Voraussetzungen weichgespült wird, wird nicht von uns und den Mitgliedern, welche wir vertreten, unterstützt werden.

Und um an die Polemik und den Sarkasmus der Ratssitzung anzuschließen:

„Vielen Dank liebe CDU und TOP-Fraktion!“  

Patrick Berner
Sprecher des ADFC Herten


https://herten.adfc.de/artikel/verkehrswende-in-herten-ist-anders-als-sonst-wo

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  • Was muss ich beachten, um mein Fahrrad verkehrssicher zu machen?

    Wie ein Fahrrad verkehrstauglich auszustatten ist, legt die Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) fest. Vorgesehen sind darin zwei voneinander unabhängige Bremsen, die einen sicheren Halt ermöglichen. Für Aufmerksamkeit sorgen Radler*innen mit einer helltönenden Klingel, während zwei rutschfeste und festverschraubte Pedale nicht nur für den richtigen Antrieb sorgen. Je zwei nach vorn und hinten wirkende, gelbe Rückstrahler an den Pedalen stellen nämlich darüber hinaus sicher, dass Sie auch bei eintretender Dämmerung gut gesehen werden können. Ein rotes Rücklicht erhöht zusätzlich die Sichtbarkeit nach hinten und ein weißer Frontscheinwerfer trägt dazu bei, dass Radfahrende die vor sich liegende Strecke gut erkennen. Reflektoren oder wahlweise Reflektorstreifen an den Speichen sind ebenfalls vorgeschrieben. Hinzu kommen ein weißer Reflektor vorne und ein roter Großrückstrahler hinten, die laut StVZO zwingend vorgeschrieben sind.

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  • Worauf sollte ich als Radfahrer achten?

    Menschen, die Rad fahren oder zu Fuß gehen, gehören zu den ungeschützten Verkehrsteilnehmern. Sie haben keine Knautschzone – deshalb ist es umso wichtiger, sich umsichtig im Straßenverkehr zu verhalten. Dazu gehört es, selbstbewusst als Radfahrender im Straßenverkehr aufzutreten, aber gleichzeitig defensiv zu agieren, stets vorausschauend zu fahren und mit Fehlern von anderen Verkehrsteilnehmern zu rechnen.Passen Sie Ihre Fahrweise der entsprechenden Situation an und verhalten Sie sich vorhersehbar, in dem Sie beispielsweise Ihr Abbiegen durch Handzeichen ankündigen. Halten Sie Abstand von Lkw, Lieferwagen und Kommunalfahrzeugen. Aus bestimmten Winkeln können Fahrer nicht erkennen, ob sich seitlich neben dem Lkw Radfahrende befinden. Das kann bei Abbiegemanövern zu schrecklichen Unfällen führen. Beachten Sie immer die für alle Verkehrsteilnehmer gültigen Regeln – und seien Sie nicht als Geisterfahrer auf Straßen und Radwegen unterwegs.

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    Das Angebot an Elektrofahrrädern teilt sich in unterschiedliche Kategorien auf: Es gibt Pedelecs, schnelle Pedelecs und E-Bikes. Pedelecs sind Fahrräder, die durch einen Elektromotor bis 25 km/h unterstützt werden, wenn der Fahrer in die Pedale tritt. Bei Geschwindigkeiten über 25 km/h regelt der Motor runter. Das schnelle Pedelec unterstützt Fahrende beim Treten bis zu einer Geschwindigkeit von 45 km/h. Damit gilt das S-Pedelec als Kleinkraftrad und für die Benutzung sind ein Versicherungskennzeichen, eine Betriebserlaubnis und eine Fahrerlaubnis der Klasse AM sowie das Tragen eines Helms vorgeschrieben. Ein E-Bike hingegen ist ein Elektro-Mofa, das Radfahrende bis 25 km/h unterstützt, auch wenn diese nicht in die Pedale treten. Für E-Bikes gibt es keine Helmpflicht, aber Versicherungskennzeichen, Betriebserlaubnis und mindestens ein Mofa-Führerschein sind notwendig. E-Bikes spielen am Markt keine große Rolle. Dennoch wird der Begriff E-Bike oft benutzt, obwohl eigentlich Pedelecs gemeint sind – rein rechtlich gibt es große Unterschiede zwischen Pedelecs und E-Bikes.

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